Wer eine gruselige Halloween-Geschichte sucht oder allgemein düstere Sagen mag, der findet in urbanen Legenden in Japan die Extraportion Horror.
Die modernen Sagen basieren angeblich auf wahren Begebenheiten und erfreuen sich daher gerade in Japan, einem Land, in dem viele Menschen an Geister glauben, großer Beliebtheit. Allgemein finden sich in japanischen Sagen die unterschiedlichsten Arten von Dämonen und Geistern, von onryo (rachsüchtige Geister), über yurei (japanische Gespenster) bis zu yokai (Dämonen aus der japanischen Folklore) und zahlreichen weiteren Gestalten, die einem das Blut in den Adern gefrieren lasse (sollen).
Die folgenden 6 düsteren urbanen Legenden sind in Japan allgemein bekannt und werden vor allem mündlich gerne weitererzählt und vielleicht auch immer mal wieder um ein bisschen mehr Grusel erweitert. Einige davon sind so beliebt, dass sie sogar in Videospielen umgesetzt wurden.
1. Aka Manto
Die erste urbane Legende beginnt in einem Badezimmer, einem beliebten Schauplatz vieler dieser modernen japanischen Sagen. Aka Manto ist ein männlicher Geist, der bekleidet mit einem roten Umhang und einer Maske bevorzugt in japanischen Schulen und öffentlichen Toiletten sein Unwesen treibt. Angeblich spukt er besonders gerne in der allerletzten Toilette.
Angeblich hört man beim Betreten der Toilette eine Stimme, die fragt, ob man rotes oder blaues (Toiletten) Papier haben möchte. Die Antwort will wohlüberlegt sein, denn wenn man sich für rot entscheidet, heißt es, dass Aka Manto erscheint und für ein blutiges Ende sorgt. Wählt man stattdessen blau, so kommt er ebenfalls und würgt sein Opfer zu Tode. Wer beiden Schicksalen zu entgehen versucht, indem er oder sie nach einer anderen Farbe fragt, den zieht der rot gekleidete Geist direkt mit in die Hölle.
Somit sollte man angeblich, um dem rachsüchtigen Aka Manto zu entgehen, am besten gar nicht antworten, sondern direkt die Flucht ergreifen.
2. Kuchisake-onna
Kuchisake-onna oder auch die Frau mit dem zerrissenen oder zerschlitzten Mund, ist eine der bekanntesten und beliebtesten urbanen Legenden in Japan. Ihren Ursprung hat sie aber angeblich schon in der Heian Zeit und erzählt die Geschichte von einer schönen Frau, deren eifersüchtiger Liebhaber ihr nach einem Streit das Gesicht zerschnitt, damit niemand mehr sie attraktiv finden sollte.
Der moderne Mythos erzählt von einer Frau, die bevorzugt nachts durch die Straßen zieht und Mädchen oder jungen Frauen auflauert. Sie trägt eine Mund-Nasenschutz-Maske (in älteren Varianten einen Seidenschleier) und hält eine Schere oder ein Messer versteckt. Wer das Pech hat, ihr zu begegnen, wird von ihr gefragt: „Bin ich schön?“ (わたし、きれい? – Watashi, kirei?)
Wie schon bei Aka Manto scheint es, als sei es eine Fangfrage, denn antwortet man mit „nein“, so tötet der rachsüchtige Dämon die Befragte auf der Stelle. Sagt man stattdessen „ja“, dann zieht die Kuchisake-onna ihre Maske herunter und enthüllt ihr entstelltes Gesicht mit dem von Ohr zu Ohr aufgeschlitzten Mund und fragt „Jetzt immer noch?“ (これでもですか? – Kore demo desu ka?). Bejaht man auch diese Frage, dann schlitzt dieser Yokai Dämon das Gesicht des Opfers ebenfalls auf, sodass dieses genauso „schön“ wird, wie sie selbst.
Angeblich besteht der einzige Ausweg darin, der Kuchisake-onna zu sagen, dass sie „normal“ oder „durchschnittlich“ aussieht, wieder andere behaupten, sie lasse sich auch durch Süßigkeiten ablenken, sodass man die Flucht ergreifen kann.
In den 70er Jahren war diese moderne Horror-Sage in Japan so beliebt, dass eine regelrechte Hysterie unter Schüler*innen und Student*innen aufkam und einige sich für eine Zeit lang nach Sonnenuntergang nur in Gruppen bewegten.
3. Teketeke
Teketeke ist der Onryo Rachegeist aus einer modernen japanischen Großstadtlegende. Angeblich handelt es sich um eine junge Frau oder ein Schulmädchen, das von einem Zug überfahren und dabei in zwei Hälften geteilt wurde. Aus Wut über ihren frühen und schmachvollen Tod spukt sie nun angeblich bei Nacht in Großstadtgebieten und vor allem in Bahnhöfen.
Weil sie keinen Unterkörper mehr besitzt, schleift sie sich mit ihren Händen und Ellenbogen über den Boden und zieht ihren Torso nach, was im Land der aufgehenden Sonne und Soundwords angeblich ein Geräusch macht, das wie „teke teke“ klingt. Sollte man dem gleichnamigen Geist begegnen oder auch nur das Geräusch hören, gibt es laut Sage nur einen Ausweg: Rennen, so schnell es geht! Denn auch wenn sie keine Beine hat, ist sie angeblich extrem schnell und zerteilt alle, die sie einholt, mit einer Sense.
In einigen Erzählungen heißt es, Teketeke frage die Menschen, denen sie auflauert, wo ihre Beine sind und die einzige Antwort, die sie gelten lässt, sei „Meishin Expressway“, der Ort, an dem sie angeblich damals vom Zug erfasst wurde. Wieder andere sagen, dass man ihr nicht entkommen kann und sie jeden tötet, der das Pech hat, ihr zu begegnen. Ein gleichnamiger Horrorfilm widmet sich ebenso diesem Thema.
4. Toire no Hanako-san
Die nächste urbane Legende kehrt wieder in die Toiletten und Bäder zurück und erinnert ein wenig an die Geschichte der „Bloody Mary“. Toire no Hanako-san, auf Deutsch so viel wie „Hanako aus der Toilette“, ist der böse Geist eines Schulmädchens, das sich angeblich in einer Schultoilette umgebracht hat, nachdem sie von Mitschüler*innen gemobbt worden war. Ähnlich wie beim Spiel „Bloody Mary“ machen Kinder und Jugendliche in Japan gerne Mutproben, bei denen es darum geht, Hanako zu beschwören.
Angeblich spukt dieser Rachegeist in der 3. Toilettenkabine im 3. Stock, auch wenn es hier je nach Präfektur abweichende Varianten gibt. Will man Hanako heraufbeschwören, so muss man dreimal an die Türe klopfen und fragen: „Hanako, bist du da?“ Manchmal heißt es auch, man muss sie fragen, ob sie spielen möchte.
Es existieren unterschiedliche Mythen darüber, was passiert, wenn Hanako erscheint. Die eher harmlosen berichten von einer blutigen Hand, die aus der Toilette kommt, in anderen aber erscheint der Geist des Mädchens und frisst sein Opfer oder zieht es mit sich in den Abfluss. In jedem Fall aber ist die Geschichte von Hanako aus der Toilette eine der beliebtesten Schulgeistergeschichten und wurde vielfach in Filmen, Büchern und Comics adaptiert.
Es wird auch immer wieder behauptet, dass Hanako die Inspiration für die Figur der „Maulenden Myrte“ aus der Romanreihe Harry Potter von Joanne K. Rowling gewesen sein soll, da es sich hier ebenfalls um den Geist einer Schülerin handelt, welche in der Mädchentoilette der Schule spukt.
5. Okiku Puppe
Im Gegensatz zu den vorigen urbanen Legenden geht es bei dieser Geschichte um eine Puppe, die man auch tatsächlich finden kann – denn sie befindet sich im Mannen-ji Tempel in Hokkaido. Die Geschichte geht zurück in das Jahr 1918, als ein Junge die Puppe angeblich für seine Schwester kaufte, da sie den gleichen Pagenschnitt hatte und ihr daher sehr ähnlich sah.
Das kleine Mädchen hieß Okiku und liebte die Puppe über alles, sodass sie ihr sogar ihren eigenen Namen gab. Tragischerweise starb das Mädchen einige Zeit später an einer Krankheit. Als ihr Familie die Puppe auf dem hauseigenen Altar zur Erinnerung an die verstorbene Tochter platzierte, merkte sie angeblich schnell, dass die Haare der Puppe zu wachsen begannen – wie die eines echten Menschen!
Im Glauben, dass der rastlose Geist ihrer Tochter in der Puppe weiterlebt, gaben sie Okiku an den nahen Mannen-ji Tempel weiter, wo sie bis heute steht und Besucher*innen sie ansehen können. Man sagt, dass ihr Geist nicht bösartig ist, aber die Mönche im Tempel sagen, dass sie die Haare der Puppe regelmäßig schneiden müssen, weil diese noch heute wachsen.
6. Der Rote Raum
Der Fluch des Roten Raums (jap. 赤い部屋 – akai heiya) ist eine moderne urbane Legende und berichtet von einem mysteriösen Pop-up-Fenster, das PC-Nutzer*innen beim Surfen im Internet erscheinen soll. Angeblich öffnet sich das Pop-up und auf rotem Hintergrund erscheinen in schwarzer Schrift die Worte „Magst du den Roten Raum?“ (あなたは赤い部屋が好きですか? – Anata wa akai heiya ga suki desu ka). Angeblich verschwindet das Fenster nicht, egal wie oft man versucht, es wegzuklicken und in manchen Erzählungen wird die Frage auch von einer verzerrten Computerstimme immer wieder gefragt.
Anschließend soll der ganze Bildschirm rot werden und die Namen aller bisher durch den Fluch getöteten Opfer erscheinen. Es heißt, man finde die Opfer später tot vor ihrem Computer und die Wände des Raumes sind mit ihrem Blut bespritzt und somit rot gefärbt.
Angeblich war eine in den 90ern im Internet kursierende Adobe Flash Horror Animation der Ursprung für diesen modernen Mythos, in der am Ende genau das gleiche ominöse Pop-up-Fenster auftaucht. In Tokyo hat sich ein Escape-Room in Asakusa dem Thema des Roten Raumes angenommen.
Wer urbane Legenden liebt und sich allgemein für Geister und Dämonen interessiert, der sollte diese 6 gruseligen Orte in Tokyo besuchen, an denen es angeblich spukt.